Workshop: „Theorytellings“

„Theorytellings“: Wissenschaftsnarrative in den Digital Humanities

Das Forum für Digital Humanities Leipzig (FDHL) und die AG Theorie der DH laden für den 8. und 9. Oktober 2020 zu einem gemeinsamen Workshop ein. Thematisch wird es um die Frage nach der Theorie und Theorielosigkeit, Wissenschaftsnarrativen und dem „Theorytelling“ in den digitalen Geisteswissenschaften gehen. Geplanter Veranstaltungsort ist die Bibliotheca Albertina in Leipzig.

Der Workshop ist unter Einhaltung eines entsprechenden Hygienekonzepts als Präsenzveranstaltung geplant. Außerdem begleiten wir die Veranstaltung intensiv mit digitalen Formaten wie Livestreams und Twitter-Berichterstattung. Sollten sich die Umstände drastisch ändern, wird die Veranstaltung unter notwendigen Anpassungen des Programms als rein virtuelle Veranstaltung abgehalten.

Eine Anmeldung ist möglich vom 24.08. bis 27.09.

Die Teilnehmerzahl ist begrenzt auf 50 Teilnehmer*innen.

Das Twitterhashtag der Veranstaltung ist #DHTheoryTellings.

Thema des Workshops

Die Geisteswissenschaften sind von der „Oszillationsbewegung zwischen Theoriekonjunktur und Theorieabgesang“ (Grizelj/Jahraus 2011, 9) geprägt. Mit Blick auf die Digital Humanities hat sich insbesondere die Rede von der Theorielosigkeit sowie die Erzählung vom Ende der Theorie in den Debatten über digitale Methoden, Praktiken und Infrastrukturen als Hauptnarrative etabliert. Gerade in der rhetorischen Lossprechung im Sinne des practical turn führen die Digital Humanities aber immer schon Formen der Theoriebildung und -reflexion als das „Umgewendete mit sich“ (Krämer 2011, 192). Dabei hängt der humanistische Anspruch der Digital Humanities selbst von ihrem Verhältnis zum Theoretischen ab (vgl. Drucker 2012).

Die Tagung widmet sich nun der Frage, inwiefern ein expliziter Rekurs auf Theorien (Referenztheorien, Wissenschaftstheorien etc.) zur aktuellen Vermessung der Digital Humanities beiträgt. Dazu schlagen wir vor, die Erzählung vom defizitären Status der Theorie umzuwenden und affirmativ nach „Theorytellings“ in den Digital Humanities zu fragen. Denn was wäre, wenn wir die Entwicklung in den Digital Humanities dezidiert als eine Erzählung hin zur Theoriebildung begreifen würden? Sind vielleicht  solche Theorytellings als Counternarrative (vgl. Bamberg 2004) schon ein erster Schritt hin zur Theoretisierung der Digital Humanities? Wie können wir Erkenntnisbedingungen, disziplinäre Eigenheiten der Wissenskulturen sowie Zuständigkeit und Anspruch der Digital Humanities über und mit Theorie(n) anders erzählen? 

Ein gemeinsamer Nenner von Theorie(n) in den Wissenschaften ist, dass sie kulturelle Gebilde mit historischen Indexen darstellen, die Wissen für eine Forschungsgemeinschaft strukturieren. Der Theorie wohnt so nicht nur ein Akt der Integration und der Selektion inne, insofern sie einzelne Phänomene unter einem neuen Zusammenhang präsentiert (vgl. Küpper et al. 2013). Vielmehr stiftet sie auch einen Kommunikationsrahmen, der bestimmt, wie über etwas gesprochen wird. Während die Digital Humanities bislang unter anderem über die Konzepte von Modell und Daten begriffen wurden, nimmt die Tagung Wissensformen, Verfahren und Sichtweisen, die durch eine theoretische Reflexionen hervorgebracht werden, in den Blick. Ausgehend von einem heterogenen Theorieverständnis zielt die Tagung darauf ab, die Logiken gegenwärtiger Strukturen der Wissensproduktion in den Digital Humanities zu begreifen.

Drucker, Johanna: Humanistic Theory and Digital Scholarship. In: Matthew K. Gold (Hg.): Debates in Digital Humanities 2021. Minnesota: University of Minnesota Press 2012. https://dhdebates.gc.cuny.edu/read/untitled-88c11800-9446-469b-a3be-3fdb36bfbd1e/section/0b495250-97af-4046-91ff-98b6ea9f83c0 (Zugriff am 24.07.2020).

Bamberg, Michael G. W.; Andrews, Molly (Hg.): Considering counter-narratives. Narrating, resisting, making sense. Amsterdam: Benjamins 2004.

Grizelj, Mario; Jahraus, Oliver (Hg.): Theorietheorie. Wider die Theoriemüdigkeit in den Geisteswissenschaften. Tagung. München: Wilhelm Fink 2011.

Krämer, Sybille: Windungen und Wendungen geisteswissenschaftlicher Debatten: Ein Kommentar zu den Grenzen des ‚performative turn‘, ‚media turn‘ und ‚iconic turn‘. In: Mario Grizelj, Oliver Jahraus (Hg.): Theorietheorie. Wider die Theoriemüdigkeit in den Geisteswissenschaften. München: Fink 2011, S. 181–196.

Küpper, Joachim; Rautzenberg, Markus; Schaub, Mirjam; Strätling, Regine (Hg.): The Beauty of Theory. Zur Ästhetik und Affektökonomie von Theorien. München: Fink 2010.

Workshop-Programm

8. Oktober

18:00 – 18:30 Uhr     
Einführung in den Workshop
(Video)

18:30 – 20:00 Uhr     
Vortrag Sybille Krämer
‚Wider die Tiefenrhetorik‘: Über die Kulturtechnik der Verflachung, diagrammatische Maschinen und das ‚Deep Learning‘ 
(Abstract, Video)

ab 20:30 Uhr             
Abendessen mit weiterer Diskussion im informellen Kreis

9. Oktober

9:00 – 9:10 Uhr          
Kurze Einführung in das weitere Vortragsprogramm

9:10 – 9:45 Uhr          
Manfred Thaller
Können Reaktionäre und Revolutionäre die gleiche Theorie haben?
(Abstract, Video)

9:45 – 10:20 Uhr        
Evelyn Gius & Janina Jacke
Sinn und Unsinn von Strukturalismus in den DH. Betrachtungen zu Theorie und Methode in der digitalen Literaturwissenschaft
(Abstract, Video)

10:20 – 10:30 Uhr         
Pause

10:30 – 11:05 Uhr      
Henning Schmidgen
Vom Archiv zum Computer. Foucault und die Digitalen Humanwissenschaften
(Abstract, Video)

11:05 – 11:40 Uhr      
Ramona Roller
Warum ist Luther protestantisch geworden? – Erklärungsnarrative mit statistischen Modellen entwickeln und zur Theoriebildung nutzen
(Abstract, Video)

11:40 – 12:00 Uhr      
Pause

12:00 – 13:00 Uhr
Abschlussdiskussion

Organisationsteam

  • Manuel Burghardt (Universität Leipzig)
  • Jonathan D. Geiger (Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz)
  • Rabea Kleymann (Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung)
  • Aaron Sabellek (FDHL)
  • Ulrich Johannes Schneider (Universitätsbibliothek Leipzig)
  • Mareike Schumacher (Universität Hamburg)

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Förderinstitution